The History of House (Teil 1) – Von den Roots bis 1985
Phil Cheeseman hat einen Bericht über die Anfänge der House Music geschrieben, der 1993 in dem britischen DJ Magazine erschien. (14-Seitig)
Hier der Versuch einer deutschen Übersetzung.
Intro
Es ist zehn Jahre her, seit die ersten identifizierbaren House-Tracks auf Vinyl gebracht wurden, zehn Jahre, die die Technologie hinter der elektronischen Musikrevolution bis zur Unkenntlichkeit verändert haben, aber die Grundstruktur des House intakt gelassen haben.
Es ist sieben Jahre her, seit gesagt wurde, dass House nicht von Dauer sein könnte, dass es nur Hi-NRG war, eine schnelle Explosion, die so schnell verdorren würde, wie sie begonnen hatte. Aber dann erfand sich die Musik neu, und dann immer wieder, bis es den Leuten allmählich dämmerte, dass House nicht nur eine weitere Phase der Clubkultur war, es war Clubkultur, die weitere Zukunft der Tanzmusik.
Der Grund? Ganz einfach. Die Leute tanzen gerne zu House.
Autor von „The History of House“
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Von den Roots bis 1985
Ob es einem gefällt oder nicht, House war in erster Linie ein direkter Nachkomme der Disco.
Disco gab es bereits seit zehn Jahren, als die ersten elektronischen Drum Tracks aus Chicago auftauchten, und in dieser Zeit hatte es bereits harsche Kritik gegeben wegen gnadenloser kommerzieller Ausbeutung, Verwässerung und rassistischer und sexueller Vorurteile, die in der Kampagne „Disco Sucks“ gipfelten. In einem bizarr extremen Vorfall wurden Menschen, die ein Baseballspiel im Comiskey Park in Chicago besuchten, eingeladen, alle ihre unerwünschten Disco-Platten mitzubringen, und nach dem Spiel wurden sie auf ein riesiges Lagerfeuer geworfen.
Video zur Disco Demolition
Disco brach schließlich unter einem gewaltigen Gewicht von krassen Disco-Versionen von Pop-Platten und einer ständig wachsenden Menge an Platten zusammen, die einfach nicht gut waren. Aber die Underground-Szene hatte sich bereits zurückgezogen und begann, einen neuen Stil zu entwickeln, der tiefer, roher und mehr darauf ausgelegt war, die Menschen zum Tanzen zu bringen. Disco hatte bereits die ersten Platten produziert, die sich speziell an DJs richteten, mit erweiterten 12″-Versionen, die lange Percussion-Pausen für Mixing-Zwecke enthielten, und die frühen Achtziger erwiesen sich als wichtiger Wendepunkt.
Sinnamons „Thanks To You“, D-Trains „You’re The One For Me“ und
„Don’t Make Me Wait“ von The Peech Boys,
eine Platte, die in den letzten zehn Jahren kontinuierlich gesampelt wurde, brachten die Dinge mit ihren spärlichen, synthetisierten Sounds, die Dub-Effekte und Aussetzer einführten, die noch nie zuvor gehört worden waren, in eine andere Richtung.
Aber es war nicht nur amerikanische Musik, die den Grundstein für House legte. Europäische Musik, die englischen elektronischen Pop wie Depeche Mode und Soft Cell und die früheren, mehr Disco-basierten Sounds von Giorgio Moroder, Klein & MBO und tausend italienischen Produktionen umfasste, war in städtischen Gebieten wie New York und Chicago immens beliebt.
Einer der Gründe für ihre Popularität waren zwei Clubs, die gleichzeitig die Barrieren von Rasse und sexueller Präferenz durchbrochen hatten, zwei Clubs, die in eine Dance-Music-Legende übergehen sollten – Chicagos Warehouse und New Yorks Paradise Garage. Bis dahin und danach war es die Norm, dass Schwarze, Hispanics, Weiße, Heterosexuelle und Schwule sich trennten, aber mit dem Warehouse, das 1977 eröffnet wurde unter der Leitung von Frankie Knuckles und der Garage, in der Larry Levan auflegte, lag der Schwerpunkt auf der Musik. (Ironischerweise war Levan die erste Wahl für das Warehouse, aber er wollte New York nicht verlassen). Und die Musik war so vielfältig wie die Kundschaft – r’n’b basierte schwarze Tanzmusik und Disco gespickt mit so unterschiedlichen Dingen wie The Clashs „Magnificent Seven“. Für die meisten Menschen waren dies die Orte, die als Brutstätten für die Musik dienten, die schließlich nach den Clubs bekannt wurde – House und Garage.
Von Anfang an gab es einen Unterschied in der Herangehensweise zwischen New York und Chicago.
„Alle Platten, die aus New York kamen, waren entweder im mittleren oder unteren Tempo, und die Kids in Chicago würden das nicht die ganze Nacht lang mitmachen, sie brauchten mehr Energie“, kommentierte Frankie Knuckles nach seinem Umzug nach Chicago.
The Windy City wurde in weit größerem Maße vom europäischen Sound beeinflusst und das zeigte sich als die Platten anfingen zu erscheinen.
Während sich Garage in New York aus First Choice und den Labels Salsoul, West End und Prelude reibungsloser entwickelte, gab es in Chicago keine solche Entwicklung.
Die Meinungen darüber, was die erste House-Platte war, gehen immer noch auseinander, aber sie wurde sicherlich von Jesse Saunders gemacht und war auf dem Mitchball-Label – wahrscheinlich Z Factors ‚Fantasy‘, aber es gab auch eine andere Z Factor-Melodie, die den Namen ‚I Like To Do It In Fast Cars‘ trug. „Fantasy“ klingt jetzt extrem veraltet, aber vor zehn Jahren war es wie ein Sound von einem anderen Planeten, mit Anklängen an Kraftwerks stark synthetisierte String Sounds, eine Eurobeat-Bassline und ein einfaches, beharrliches Drum-Machine-Pattern. Es genügt zu sagen, dass die Platte außerhalb der eng verbundenen urbanen Chicago-Szene im Dunkeln blieb.
Adonis, einer der frühen Produzenten in der Chicagoer Szene erzählt:
Diese Platten haben die Leute nicht wirklich motiviert, die erste war Jamie Principle’s ‚Waiting On Your Angel‘. Schau, bevor es Platten gab, gab es Kassetten, und das war das Heißeste in Chicago. Es war so heiß, dass Jessie Saunders hin ging und diesen Track Wort für Wort, Note für Note aufnahm und auf Larry Shermans Label Precision veröffentlichte. Es war so einflussreich, dass vier oder fünf Platten herauskamen, die diese Sounds verwendeten.
Adonis
Innerhalb eines Jahres schlossen sich jedoch andere schnell an. Saunders, der inzwischen mit seinem Jes-Say-Label herausgekommen war, gemeinsam mit Farley Keith (alias Farley ‚Jackmaster‘ Funk).
Frankie Knuckles, der bereits einige Remixe für Salsoul gemacht hatte, begann auch an seinen eigenen Produktionen zu arbeiten. 1985 war klar, dass sich etwas Großes zu rühren begann.
Ron Hardy, der zum Rückgrat der Chicagoer Clubszene werden sollte, da er konsequent die neuesten Platten präsentierte, begann etwa zur gleichen Zeit, als Frankie Knuckles The Warehouse verließ, bei The Music Box zu spielen, und andere DJs wie Farley und die Hot Mix 5, die die Mix-Shows auf dem Radiosender WBMX abwarfen, machten sich einen Namen.
Aber eine Platte zu machen, war für die meisten DJs zu dieser Zeit nicht die Priorität – sie machten Musik speziell, um in den Clubs und auf den Partys zu spielen, die in der Stadt zu entstehen begannen.
Larry Heard und Robert Owens, später bekannt als Fingers Inc., und Steve Hurley experimentierten alle mit grundlegenden Rhythmusspuren, lange bevor sie den Sprung auf Vinyl schafften.
Hierzu sagt Steve Hurley:
Ich fing an, meine eigene Musik zu machen. Tracks zu machen, nur um diese als DJ zu spielen, nicht wirklich darüber nachzudenken, wie man produziert – sondern Hauptsächlich um etwas zu spielen, das niemand sonst hatte. Und einer dieser Tracks, ‚Music Is The Key‘, bekam eine so gute Resonanz, dass ich beschloss, mir etwas Geld zu leihen und mit einem anderen Typen, der zufällig Rocky Jones war, hinzugehen und die Platte herauszubringen.
Steve Silk Hurley
Dieser bedeutsame Anlass war der Beginn von DJ International Records, einem der beiden Labels, das allen aufstrebenden Produzenten der Stadt die Chance geben sollte, ihre Musik auf Vinyl zu bringen.
Der andere, Larry Shermans Trax Records, war bereits in Betrieb, obwohl Sherman zunächst versuchte, mit Precision in einen kommerzielleren Markt einzudringen. „Music Is The Key“ (übrigens die erste House-Platte, die einen Rap enthielt) nahm House einen Schritt weiter, indem es mehr musikalische Elemente und einen Gesang integrierte, und als Chip E’s „Like This“, ebenfalls auf DJ International, erschien, hatte House echten Gesang und die gesampelte Stottertechnik entdeckt, die heute ein integraler Bestandteil von Dub-Remixen ist.
Es erinnert sich der Londoner DJ Jazzy M, der damals in einem Plattenladen arbeitete und mit seiner immens beliebten Jackin‘ Zone-Show auf dem Londoner Piratensender LWR als einer der ersten in Großbritannien ins Radio kam:
Es hat eine Weile gedauert, bis sich der Sound entwickelt hat. Als ‚Like This‘ und Adonis‘ ‚No Way Back‘ herauskamen, da hatte man es geschafft. Zuerst waren es nur Drum-Machine-Programme und sie wurden Trax genannt, wie es Chip E Trax und Kenny Jason Trax gab und das war es, was House war, mit vielleicht ein paar fragwürdigen Samples. Ich kann mich erinnern, dass ich mit Colin Faver, der einer der ersten DJs hier war, über ‚Like This‘ gesprochen habe, und wir waren beide wirklich begeistert davon.
DJ Jazzy M
In der Zwischenzeit nahmen die Dinge in New York Fahrt auf, obwohl die Entwicklung viel langsamer war. Mixer wie Larry Levan, Tony Humphries, Timmy Regisford und Boyd Jarvis, die direkt nach Shep Pettibone und Jellybean Benitez kamen, machten als Remixer Boden, und befeuert durch den rohen Clubsound von Colonel Abrams, nahm der tiefe, gefühlvolle Clubsound, der als Garage bekannt wurde, mit frühen Veröffentlichungen auf den Labels Supertonics, Easy Street und Ace Beat Gestalt an. Paul Scott war einer der ersten mit „Off The Wall“ im Jahr 1985, aber davor gab es Serious Intentions Deep-Dub-Klassiker „You Don’t Know“ und noch davor war World Premiere’s ‚Share The Night‘.
Dies ist der erste Teil von fünf Teilen.
Die weiteren Beiträge sind hier verlinkt:
Phil Cheeseman, Autor von „History of House“
Als einer der ersten Musikjournalisten in Großbritannien, der Mitte der achtziger Jahre über Tanzmusik berichtete, ist Phil Cheeseman seitdem eine feste Größe in der Tanzszene.
Von der Vorstellung von Ten City, Marshall Jefferson und Todd Terry für die Leser des damaligen Record Mirror wurde Phil Gründungsautor des DJ Magazine, wo seine Rezensionen und Features noch heute zu finden sind.
Der hier übersetzte Text ist sicherlich nicht frei von Fehlern. Einige Inhalte (hier besondern die Zitate) habe ich etwas anders angeordnet um den Text leichter lesbar zu gestalten.
Zu dem Original Text (englisch) in kompletter Länge.