„The Story of House“ Teil 2
Die Entstehungsgeschichte der House Musik. [Teil 2]
Stuart Cosgrove’s Bericht im Booklet der „The History of House Sound of Chicago“ BCM-Box.

Teil 2 von 2
Versuch der deutschen Übersetzung des Original Textes.
mehr Infos zum Autor siehe Teil 1
Über Labels, Detroit, Acid, Drogen und Pop
siehe auch Teil 1
Über die Roots der House Musik und dem ersten internationalen Erfolg
In dem lokalen Konkurrenzkampf mit DJ International waren hunderte anderer Labels involviert.
Das bedeutendste Label war Trax Records in der North Clark Street, das äußerst erfolgreich weitere House-Klassiker veröffentlichte.
Marshall Jefferson, ein großer 25-jähriger Produzent, gab Trax zwei seiner bedeutendsten Platten: das hektische 120 BPM „Move Your Body“ (welches auch bezeichnet wurde als „The House Music Anthem“) und der populäre Nachfolger „Ride The Rhythm“ von On the House.


Sein Ruf wurde gleich gesetzt mit dem jüngeren Adonis, ein 19-jähriger Teenager, der „No Way Back“ heraus brachte.
Dies war der zweitgrößte Plattenverkauf, den Trax je hatte.
Die Platte hatte eine Auflage von 120.000 Stück – eine erstaunliche Zahl für eine unabhängige Platte, die nur wenig im Radio gespielt wurde.
Labels
Hinter der sichtbaren Erfolgsgeschichte von DJ International, Underground, Trax gab es unzählige kleinere Labels wie Jes Say, Chicago Connectinon, Bright Star, Dance Mania, Sunset, House Records, Hot Mix 5, State Street, and Sound Pak. [mehr Label Infos]

Und – hinter Stars wie Farley und Frankie Knuckles gab es viele andere Musiker wie Full House, Ricky Dillard, Fingers Inc. und Farm Boy.

Farm Boy, ein junger weißer DJ namens Dean Anderson, welcher sich in rustikalen Overall und mit Strohhut kleidete und empor stieg zu einen der größten Namen in der ‚ländlichen‘ House Szene.
Aber Chicago ist alles andere als ländlich – im Schatten stehend unter einigen der weltgrößten Wolkenkratzer – die sogenannte „City of Broad Shoulders“ ist typisch modern. Wie der House Sound hat es eine unverkennbare Identität, aber wirkt nach außen geschäftsmäßig auf das internationale Publikum.
Jacking all over the World
House Music hat sich in der ganzen Welt verbreitet.
House kam nach Detroit,
- wo Transmat Records Derrick May’s Rhythim Is Rhythim veröffentlichte und im Metroplex Studio post-Kraftwerk Tracks wie „Nude Photo“ und „Strings“ entstanden.
House kam nach New York,
- wo der angesehene Club-Produzent Arthur Baker, mit neuem Schwung, kompromisslose Dance Platten wie Criminal Elements „Put The Needle To The Record“ and Jack E. Makossa’s „The Opera House“ kreierte.
House kam nach London,
- wo eine Gang von rebelischer Funk Boys namens M|A|R|R|S die britischen Charts im Sturm eroberten und auf Platz 1 stiegen mit dem brillianten Mashup „Pump Up The Volume“.
House drang mitten ins Herz der Popmusik,
- House drang mitten ins Herz der Popmusik,
was Phil Fearon, Kissing the Pink, Beatmasters und die Londoner Soul Girls Mel & Kim anspornte, den Beat zu verwenden.
Weiterhin drang House in bereits dynamische Kulturen wie Latin oder in die Hispanic Dance Szene ein und schuf neue Möglichkeiten für Kenny ‚Jammin‘ Jason, Ralphi Rosario, Mario Diaz, Julian ‚Jumpin‘ Perez, Mario Reyes, und der Gruppe mit dem eigenartigen Namen „Two Puerto Ricans, A Blackman and A Dominicain“.
Chicago House wurde zu jedermanns House.
Zwangsläufig, war es die rastlose Londoner Club-Szene sowie die illegalen Piratensender der UK Großstädte, die das wahre Potential von House Music erfassten.
Die relativ einfache und selbstgemachte Machart, die die House-Produktionen bestimmte, hatte zur Folge, dass junge DJs mit preiswerten Ausrüstung Platten machen konnten, die frischer und schneller als die der großen etablierten Labels war.
Eine Reihe von gesampelten und geklauten Sounds, veröffentlicht auf kleinen independents UK Labels eroberten die Pop-Charts im Sturm und überraschte die Plattenindustrie, dadurch wurde deutlich, dass der House-Sound eine kommerzielle Anziehungskraft hatte, die sogar über die wilde Vorstellung der Londoner Club-Szene hinaus ging.
Im Frühling 1988 tauschte eine kleine Gruppe Londoner DJs ihre Plattenteller gegen Aufnahmestudios ein.
Tim Simenon, ein junger DJ im Londoner Wag Club, der unter dem Club-Pseudonym Bomb the Bass arbeitete, und Mark Moore, der den Bandnamen S-Express verwendete, hatten unerwartete Pop-Hits mit gesampelten House-Rhythmen.
„Beat Dis“ und „The Theme From S-Express“ waren charakteristisch für den Sound, der kreativ klaute und mit Sampling Erfolg hatte.

DJs mit großen Plattensammlungen und einem Katalogwissen von Breaks, Beats, Bits und Pieces konnten diese aneinanderreihen und eine komplett neue Platte zusammenbauen aus Platten, an die man sich kaum erinnerte.

Die Meister der Londoner Sampling-Szene waren zwei ungleiche DJs, Jonathan Moore und Matt Black, die unter dem Namen Coldcut spielten und Londons Piratensender stürmten mit einer ideenreichen Plattenauswahl, verrückten Mixen und einer gewollten Nichtachtung davor, was musikalisch Sinn machte.
Als Coldcut’s Remix von Eric B & Rakim Rap-Hit „I know you got Soul“ die undankbaren New Yorker auf Platz 1 der europäischen Pop-Charts brachte, wurde offensichtlich, dass Sampling und der Geist von „Pump up the Volume“ Zukunft hatte.
Auf den Coldcut Rap-Mix folgte sogleich der mehr am House orientierte „Doctorin The House“ ft. Yazz & The Plastic People, dann eine Cover-Version von Otis Clay’s „The only way is up“ – ein düsterer Soul-Sound, der besonders in der britischen esotherischen Northern —Soul Szene groß war. Durch eine überraschende Wendung in der Geschichte, wurde die Karriere eines alten Chicagoer Soul-Sängers aus den 60ern neu belebt durch die Auswirkungen des modernen Chicagoer House-Sounds.
Acid Tracks
In Anbetracht der unbestrittenen Popularität des Chicago Sound wäre es für die Produzenten von House einfach gewesen, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen und fortlaufend Neuauflagen derselben Musik zu machen. Zeitweise klebte die Stadt fest an ihrem unverkennbaren Beat – hardcore on the one – aber das Experimentieren, was zwangsläufig House hervorbrachte, wollte das ändern.
Um 1987 herum begann ein neuer Stil von House sich von den Plattenstudios in Chicago abzuwenden.
Es war ein tiefer, sehr synthesizer-lastiger Sound, welcher seltsame, meist drogen-beeinflusste Bilder hervorrufte.
Die zweite Generation des House Sound begann möglicherweise mit dem internationalen Erfolg von Phuture’s „Acid Tracks“, einer sehr einflussreichen Platte, die den extremen Geist der leidenschaftlichsten Anhänger der House Szene einfängt – die Hardcore-Tänzer in Chicago, die verschiedenartig mit LSD, Acid Psychedelia und neuen Designerdrogen wie Ecstasy experimentierten.

Frankie Knuckles puscht den Einfluss von Drogen nicht hoch:
Heute gibt es mehr Psychedelic Sound. Acid ist wahrscheinlich die weitverbreitetste Droge in der Szene, aber House ist nicht drogenlastiger als jeder andere Szene.
Frankie Knuckles
Keiner der prominenten House Musiker hat Drogenmissbrauch befürwortet oder hat chemische Stimulation gut geheißen. Jedoch eine steigende Zahl von Chicago Veröffentlichungen spielte auf Acid Tracks an, der entfremdete Synthsizer Sound wurde zum dominierenden Sound ab dem Sommer 1987.
Acid House ist ein verwirrender und zerstörender Dance Sound, der seine Herkunft dem extremen Disco Sound von Chicago schuldet, dem technoiden Mixen von Detroits DJs Kevin Saunderson und Derrick May und dem unersättlichen Appetit der Londoner Club-Szene auf neue Trends, Schlagwörter, Modewellen und frische Rhythmen.

Der Acid Sound ist im Wesentlichen ein technischer Fehler – ein verzerrter Lärm – erzeugt von einem High-Tech Bass Synthesizer, bekannt als Roland TB-303.
Über diesen schmutzigen Sound stolperte zuerst ein Chicagoer Produzent bekannt einfach als Pierre, der unter dem Namen Phuture den ersten authentischen Acid House Sound aufnahm: „Acid Tracks“.
Innerhalb von weniger als einem Jahr hatte sich die Acid Epidemie weltweit auf den Dancefloors ausgebreitet und die Londoner Clubs begannen einen neuen Kreuzzug. Gekleidet in weiten flatternden T-Shirts, mit selbst gemachten Stirnbändern im Paisleymuster und dem allgegenwärtigen Smily dance-tranceten sich die „Acid-Köpfe“ durch einen nuklearen Winter von Trockeneis, Lichtblitzen und entfremdeten Synthisizer Sounds.

Shoom, Spectrum, Love und The Trip waren die führenden Clubs des Underground-Kreislaufs. Sie versuchten den Geist der 60er Psychedelia wiederzubeleben, aber überbrücken Neo-Hippi-Rock für zwingende und hedonistische Dance-Sounds wie Tyree’s „Acid Over“, Fast Eddies’s „Acid Thunder“, Jolly Roger’s pseudo-arabisches „Acid Man“ und Baby Ford’s „Oochy Koochy“.
Im Sommer 1988 waren die britischen Charts und die übereifrige Regenbogenpresse überfüllt mit Acid.
Die Musik hat eindeutig einen wunden Pop-Nerv getroffen als eine Underground-Acid-House-Platte nach der anderen in die Pop-Presse stürmte.
Jedoch folgten auf den unerwarteten kommerziellen Erfolg Diskussionen und täglich Pressemeldungen, dass die Acid-House Szene ein gefährlicher Brennpunkt für Drogenmissbrauch ist.
Mit jedem Tag stieg die allgemeine Panik bezüglich des Missbrauchs von synthetischem Ekstasy.

Im Oktober 1988 waren die Schlagwörter „get one matey“, „can you feel it“, „we call it acieeeeed“ in aller Munde.
Die Diskussionen erreichten ihren Höhepunkt im Herbst als „We call it Acid“ von D-Mob Platz 1 der britischen Pop-Charts erreichte. Radiosender spielten die Platte nur widerwillig, BBC’s Phone-in Programm „DayTime“ brachte eine nationale Debatte über die Akzeptanz dieses Songs und in einem Anfall von moralischer Empörung nahm die Klamotten-Kette Burtons ein T-Shirt mit einem Smiley darauf aus den Läden und weigerte sich an der Acid-Seuche zu beteiligen.
Trotz des Hypes und der Feindlichkeit der Presse setzte die Musik ihren beispiellosen Siegeszug fort.
Auch wenn Acid-House die Massenpresse verärgerte, so brachte es die Kreativität von Musik voran durch die Einführung des bemerkenswerten und erstaunlichen Talents von Brooklyns Todd Terry an die Spitze der Underground-Dance-Music-Szene.
Todd Terry is ein Kind des House.
Sein ganzes Leben verbrachte er in der Clubkultur und experimentierte mit den Extremen der Hi-Tech-Musik.
Unter den Pseudonym Swan Lake verwandelte sich Martin Luther Kings spiritueller Traum in ein Dance-Floor-Drama; wie auch Royal House’s „Can you party“ und The Todd Terry Project „Just wanna Dance“ den Garage Geist des modernem House einfing.

Hätte die Presse nicht den Drogenmissbrauch entdeckt, so hätte die House Szene einen neuen Star gefunden, einen zurückhaltenden schwarzen Jungen aus Brooklyn bekannt als Todd, dessen musikalische Vorstellung weder von Soul noch von Rock geprägt war, sondern von den umtriebigen Sounds von Hip-Hop und House.
Todd Terry ist ein typischer Dance Star der späten 80er, eine Vision der folgenden Dekade noch bevor sie angefangen hat und ein Beweis, dass der House Sound die nächste kreative Phase erreicht hat.
siehe auch Teil 1 mit Infos zum Original Text